Lernfabriken für biointelligente Produktion

Teil 2: Von Biohackern und Schnittstellen-Architekten: Die neuen Superhelden der Arbeitswelt

Der zweite Teil der Blog-Serie befasst sich damit, welche Kompetenzen generell für die Biointelligenz benötigt werden und wie wir sie als Grundlage für Studiengänge und Weiterbildungsmaßnahmen clustern können.

Welche Kompetenzen sind erforderlich, um eine biointelligente Produktion erfolgreich zu gestalten? Die Antwort darauf ist alles andere als einfach und erfordert eine Annäherung an das Thema. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die Ausbildung in Biointelligenz weit über die reine Biotechnologie hinausgeht. Vielmehr handelt es sich um einen ganzheitlichen Ansatz, der Bio-, Informations- und Produktionstechnik gleichermaßen umfasst.

Eine Reihe von Autoren hat bereits über die notwendigen Kompetenzen an den Schnittstellen der verschiedenen Technologien diskutiert. Diese wurden zu einem trilateralen Set an Kompetenzen weiterentwickelt, das sich im Schnittbereich von Informationssystemen, technischen Systemen und biologischen Systemen befindet.

Abbildung aus: Miehe, R., Gross, E., Ackermann, T., Gamero, E., & Baumgarten, Y. (2023). Learning factories for biointelligent production-design aspects and required competencies. Available at SSRN 4458036. Quelle: Fraunhofer IPA

Das Fundament

Dazu gehören grundlegende Ingenieurkenntnisse, wirtschaftliches Verständnis sowie die Grundlagen der Biotechnologie. Von Mathematik, Physik und Chemie über Materialwissenschaften bis hin zu Maschinenbau und Elektrotechnik – vielfältige Kenntnisse in diesen Bereichen sind essenziell. Ebenso sind grundlegende betriebswirtschaftliche und Managementkompetenzen gefragt, um Produktionsprozesse zu optimieren, Wissen und Informationen effektiv zu managen und agile Projekte zu leiten. Nicht zuletzt sind biotechnologische Kenntnisse unerlässlich, um im Kontext der Biointelligenz arbeiten zu können.

Spezifische Kompetenzen in digitaler Produktionstechnik

Spezifische Kompetenzen im Bereich der digitalen Produktionstechnik ergänzen die allgemeinen Kompetenzen und ermöglichen die praktische Umsetzung von biointelligenten Systemen. Dazu gehören Algorithmusdesign, Maschinelles Lernen, Datenwissenschaft, Cloud-Plattformen, Simulationstechniken und vieles mehr. Diese digitalen Ingenieurkompetenzen sind unerlässlich, um biointelligente Systeme erfolgreich einzuführen.

Persönliche Kompetenzen

Doch es geht nicht nur um technische Fähigkeiten. Neben den fachlichen Aspekten sind auch bestimmte persönliche, handlungsorientierte und soziale Kompetenzen von großer Bedeutung. Kritisches Denken, Verantwortungsbewusstsein, kreatives Potenzial und Kooperationsfähigkeit sind nur einige Beispiele dafür, was in der Ausbildung von zukünftigen Fachkräften im Bereich Biointelligenz vermittelt werden sollte.

Nachhaltigkeitsexpertise

Die biologische Transformation bringt nicht nur neue Technologien hervor, sondern auch neue Geschäftsmodelle, Produkte, Dienstleistungen und gesellschaftliche Veränderungen. Dabei wird es immer schwieriger, die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen über den gesamten Lebenszyklus zu bewerten. Diese Herausforderungen müssen bereits in der Ausbildung angegangen werden, um zukünftige Entscheidungsträger auf diese Transformation vorzubereiten. Ein tiefes Verständnis von Nachhaltigkeitstheorien, Kreislaufwirtschaft und Lebenszyklusmanagement ist dabei unerlässlich.

Vier Arbeitsprofile

Die identifizierten Kompetenzen lassen sich in vier relevante Arbeitsprofile clustern, die für die Transformation überkommener Produktionssysteme zu biointelligenten Produktionssystemen unerlässlich sind.

  • Der Metabolic Pathway Designer entwickelt Organismen oder Teile für industrielle Anwendungen im Rahmen der synthetischen Biologie. Er nutzt Computer-Technologie, um Zellen für Produkte oder Produktionsstätten zu entwickeln und legt die biotechnologische Grundlage für biointelligente Prozesse.
  • Der Biology-Technology Interface Engineer entwickelt eine bidirektionale Kommunikations- und Steuerungsbrücke zwischen technischen und biologischen Systemen. Dabei kommen Techniken wie Soft-Sensoren, Computermodellierung, Künstliche Intelligenz, Digitale Zwillinge und Bio-Aktuatoren zum Einsatz.
  • Der Bioprocess Automation Engineer ist verantwortlich für die wirtschaftliche Umsetzung oder Skalierung von Bioprozessen vom Labor- bis zum industriellen Maßstab. Er verfügt über Kenntnisse in (Bio-)Produktionstechnologie, Robotik, Modellierung und digitalem Abbilden.
  • Der Biosystems Life Cycle Engineer/Manager erkennt die ganzheitlichen Vorteile biointelligenter Systeme. Er identifiziert Optimierungspotenziale in Produkten, Produktionsprozessen und Wertschöpfungssystemen über den gesamten Lebenszyklus. Dabei spielt ein tiefes Verständnis für Nachhaltigkeit, Produktionswissenschaft und computergestützte Lebenszyklusanalyse eine wichtige Rolle.

Diese Arbeitsprofile und die damit verbundenen Kompetenzen sind in der folgenden Übersicht dargestellt:

In Anlehnung an Miehe, R., Gross, E., Ackermann, T., Gamero, E., & Baumgarten, Y. (2023). Learning factories for biointelligent production–design aspects and required competencies. Available at SSRN 4458036.

Cluster als Basis für die Studiengänge und Weiterbildungsmaßnahmen

Die Clusterung der Kompetenzen ermöglicht es, gezielt Studiengänge und Weiterbildungsmaßnahmen zu entwickeln, die auf die Anforderungen biointelligenter Produktion zugeschnitten sind. Hierbei sollten Hochschulen, Weiterbildungseinrichtungen und Unternehmen eng zusammenarbeiten, um die Inhalte und Strukturen dieser Programme zu gestalten. Die Entwicklung dieser Bildungsangebote ist entscheidend, um die Kompetenzen in der Industrie zu etablieren und eine erfolgreiche biologische Transformation zu ermöglichen.

Bildungsangebote aufbauen …

Wie im letzten Post möchten wir Sie auffordern, Bildungsangebote mit aufzubauen und zu entwickeln. Wenden Sie sich dazu bitte per Mail an den Bildungs- und Industriearbeitskreis des Kompetenzzentrums Biointelligenz.

… und mitreisen

Um aus erster Hand Best Practices zum Kompetenzaufbau für die Arbeit von morgen zu erfahren, reisen wir Ende Oktober nach Tel Aviv und Anfang 2024 an die Ostküste der USA. Dort besuchen wir Schlüsselinstitutionen, tauschen uns mit Experten und Expertinnen aus, die bereits Fortschritte beim Aufbau biointelligenter Produktionsprozesse gemacht haben, und sammeln so wertvolle Erkenntnisse und praktische Erfahrungen für den Kompetenzaufbau in der biologischen Transformation. Sie sind herzlich eingeladen, an unserer Delegationsreise InBenBio teilzunehmen. Informieren Sie sich gerne hier und melden Sie sich an.

Wenn Sie mehr zu Lernfabriken für biointelligente Produktion – Designaspekte und erforderliche Kompetenzen wissen wollen, empfehlen wir Ihnen zur Lektüre unser Konferenzpaper, das mit dem Best Paper Award im Rahmen der 13. Conference on Learning Factories in Reutlingen ausgezeichnet wurde.

Bleiben Sie dabei!

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