Mikrobielle Biotenside – kleine Alltagshelfer aus biotechnologischer Herstellung

Egal, ob beim Zähneputzen, Händewaschen oder Duschen, in Cremes und Make-up, in der Waschmaschine oder im Geschirrspüler. Überall kommen sie täglich zum Einsatz und sind doch für die meisten Menschen eher unsichtbar: Tenside. Diese kleinen Alltagshelfer können nicht nur klassisch mittels chemischer Verfahren produziert werden, sondern auch mithilfe von Mikroorganismen in biotechnologischen Prozessen. Unser aktueller Blog-Beitrag gibt einen kurzen allgemeinen Überblick zu Tensiden, zu deren Herstellungsverfahren und zu unserer Forschung an nachhaltigen biotechnologischen Alternativen am Fraunhofer IGB.

Tenside (engl. surfactants, für surface-active agents, d. h. oberflächenaktive Stoffe) sind sogenannte amphiphile Moleküle, die aus einem hydrophilen (polaren) und einem hydrophoben (unpolaren) Teil bestehen, also sowohl wasserlösliche als auch fettlösende Eigenschaften haben. Aufgrund ihrer amphiphilen Natur wirken Tenside an Phasengrenzen, wo sie die Oberflächen- oder Grenzflächenspannung zwischen zwei nicht mischbaren Phasen verringern. Die Verringerung der Grenzflächenspannung ermöglicht beispielsweise bei Öl-Wasser-Gemischen deren Vermischung oder die Bildung von Emulsionen, was z. B. in vielen Kosmetika oder auch in Lebensmitteln genutzt wird. Im Fall von Gas-Flüssigkeits-Gemischen kommt es zur Schaumbildung. Eines der bekanntesten Beispiele ist hier sicherlich das Shampoo. Schließlich können Tenside auch dazu verwendet werden, um feste Partikel in einer flüssigen Phase durch Adsorption an deren Oberfläche zu dispergieren. Diesen Effekt macht man sich bei Spülmitteln, aber z. B. auch bei Farben und Lacken zu Nutze. Tenside sind somit ein fester Bestandteil unseres täglichen Lebens.

Klassische Tenside und ihre Herstellung

Tenside werden im Allgemeinen nach ihrer hydrophilen Kopfgruppe in vier Klassen eingeteilt: anionisch, kationisch, amphoter oder nichtionisch. Aufmerksame Verbraucher kennen diese Bezeichnungen aus den Inhaltsstoffangaben, z. B. auf Verpackungen von Waschmitteln. Die meisten dieser Tenside basieren auf einer chemischen Synthese entweder aus Mineralölen (sogenannte petrochemische Tenside) oder aus pflanzlichen Ölen und Fetten (sogenannte oleochemische Tenside). Eines der wichtigsten aktuellen technischen Tenside ist das anionische lineare Alkylbenzolsulfonat (LAS), das nur aus petrochemischen Quellen hergestellt werden kann. Andere wichtige Tenside können zumindest teilweise biobasiert sein, wenn beispielsweise der hydrophobe Teil aus Pflanzenölen stammt. Alkylpolyglycoside (APG), die chemisch aus Zuckern und Pflanzenölen synthetisiert werden können, sind sogar vollständig biobasierte Alternativen im Bereich der nichtionischen Tenside.

Ein häufig angeführter – und aus ökologischer Sicht berechtigter – Nachteil der meisten biobasierten oleochemischen Tenside ist jedoch die Verwendung von mittelkettigen Fettsäuren (C12-C14), die nur aus tropischen Quellen wie Palmkern- oder Kokosnussöl erhältlich sind. Für einige dieser chemischen Tenside liegen aktuelle Ökobilanzdaten vor, die einen Einfluss von Palmöl auf das globale Erwärmungspotenzial zeigen. Ein wesentlicher Grund hierfür ist der leider immer noch verbreitete Anbau der Palmpflanzen auf früheren Torfböden in den Tropen, was zu einer damit verbundenen Landnutzungsänderung, Abholzung, Verlust von Biodiversität und Freisetzung von zusätzlichem CO2 führt. Aus diesem Grund sind neuartige Biotenside, die auf nicht-tropischen oder sogar lokalen Ressourcen basieren, sehr wünschenswert.

Die Alternative – mikrobiell hergestellte Biotenside aus lokalen Ressourcen

Biotechnologische Alternativen zu diesen chemisch hergestellten Tensiden sind die sogenannten mikrobiellen Biotenside, die durch Fermentationsprozesse mit verschiedenen Bakterien oder Pilzen hergestellt werden. Mikrobielle Biotenside basieren ausschließlich auf erneuerbaren Substraten wie Zuckern oder (lokalen) Pflanzenölen und sind vollständig biologisch abbaubar. Weitere Vorteile, die in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Aufmerksamkeit für diese Moleküle geführt haben, sind unter anderem ihre stimulierende Wirkung auf menschliche Haut- und Haarzellen, die sie vor allem für den Einsatz in Personal-Care-Produkten interessant macht, sowie ihre geringe Umweltbelastung.

Arten von mikrobiellen Biotensiden und ihre Herstellung in Bioreaktoren

Mikrobiell hergestellte Biotenside sind eine strukturell sehr diverse Gruppe von Naturstoffen, die wie auch die chemischen Tenside in bestimmte Kategorien eingeteilt werden können. Die sogenannten polymeren Biotenside oder Bioemulgatoren sind Stoffe mit hohem Molekulargewicht und umfassen u. a. verschiedene Polysaccharide, Proteine, Lipopolysaccharide, Lipoproteine oder Mischungen aus diesen Strukturen. Die niedermolekularen Biotenside, von denen zumeist im Kontext von mikrobiellen Biotensiden die Rede ist, werden in Stoffklassen wie Glykolipide, Lipopeptide, Fettsäuren und Phospholipide eingeteilt.

Lipopeptide, wie z. B. das von einigen Bacillus-Spezies produzierte Surfactin, setzen sich aus einem zyklischen Peptid als hydrophiler Kopfgruppe und einem hydrophoben Fettsäurerest zusammen. Glykolipide wiederum bestehen aus einem Zucker als hydrophiler Kopfgruppe und einem oder mehreren Fettsäureresten und werden von einer Vielzahl von Bakterien und Pilzen produziert. Dazu gehören unter anderem die Rhamnolipide, Sophorolipide, Trehalolipide, Glucolipide, Polyollipide, Cellobioselipide und Mannosylerythritollipide. Neben den üblichen Tensideigenschaften wurden für die mikrobiellen Glykolipide auch verschiedene biologische Eigenschaften wie antibakterielle, antimykotische, antivirale oder immunmodulatorische Aktivitäten nachgewiesen. Aus diesem Grund können die Glykolipide als eine der vielversprechendsten Biotensidarten mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten angesehen werden.

Die Herstellung der mikrobiellen Glykolipide erfolgt in Bioreaktoren. Hier können definierte Umgebungsbedingungen für ein optimales Wachstum der Mikroorganismen eingestellt werden, die dann in der Folge auch zu einer effizienten Produktbildung, in unserem Fall die Synthese der Biotenside, führen. Die Herausforderungen liegen hierbei insbesondere in der Verwendung nachhaltiger und kostengünstiger Rohstoffquellen als Fermentationssubstrate, in der Etablierung stabiler Fermentationsprozesse sowie in der Entwicklung effizienter und ökonomischer Aufarbeitungsverfahren.

Unsere Biotensidforschung am Fraunhofer IGB

Unsere Arbeitsgruppe Bioprozessentwicklung im Innovationsfeld Industrielle Biotechnologie am Fraunhofer IGB befasst sich bereits seit vielen Jahren mit der intensiven Forschung an Glykolipiden aus mikrobiellem Ursprung. Die Moleküle, die hierbei besonders im Fokus stehen, sind die Mannosylerythritollipide (MEL) und Cellobioselipide (CL), welche beide von Pilzen aus der Familie der Brandpilzverwandten (Ustilaginaceae) als natürliches Stoffwechselprodukt gebildet werden. In zahlreichen nationalen und internationalen Forschungsprojekten sowie verschiedenen Doktorarbeiten, die in Kooperation mit dem Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie (IGVP) der Universität Stuttgart angefertigt wurden bzw. werden, konnten wir einerseits die strukturelle Vielfalt dieser Moleküle detailliert aufklären und zum anderen Fermentationsverfahren für eine Herstellung im Bioreaktor entwickeln. Dies soll es uns ermöglichen, in Zukunft skalierbare Lösungen für eine großtechnische Herstellung dieser vielversprechenden Moleküle zu liefern und somit deren Einsatz in den Produkten unseres täglichen Bedarfs zu fördern.

Nähere Informationen zu den besonderen Herausforderungen und Lösungen, die wir am Fraunhofer IGB im Hinblick auf die Herstellung der mikrobiellen Biotenside entwickelt haben, werde ich in kommenden Beträgen ausführlich erläutern.

Einteilung klassischer Tenside:

  • Anionisch – negativ geladene Kopfgruppe, z.B. Alkylbenzolsulfonate oder Fettalkoholsulfate
  • Kationisch – positiv geladene Kopfgruppe, z.B. quartäre Ammoniumester (Esterquats)
  • Amphoter/zwitterionisch –positiv und negativ geladene Kopfgruppe, z.B. Betaine
  • Nichtionisch – ungeladene Kopfgruppe, z.B. Fettalkoholethoxylate oder Alkylpolyglycoside

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