Im Rahmen der Blog-Beitrags-Reihe zur 6. CIRP-Konferenz zur Bioproduktion in Dresden möchte ich den Lesern unsere Forschung skizzieren, auf der mein Vortrag mit dem Titel »A Flexible Digital Twin Framework for ATMP Production – Towards an Efficient CAR T Cell Manufacturing« basiert. Unsere Arbeit beinhaltet ein innovatives Konzept zur Digitalisierung und Automatisierung der Produktion von CAR-T-Zelltherapien, einem fortschrittlichen therapeutischen Verfahren zur Behandlung bestimmter Krebsarten.
Advanced therapeutic medicinal products (ATMPs) spielen eine bedeutende Rolle bei der Überwindung der Einschränkungen traditioneller Krebstherapien. Sie kommen dort zum Einsatz, wo herkömmliche Therapien versagen. Insbesondere CAR-T-Zelltherapien bieten erhebliche Potenziale in der Krebsbehandlung. Diese Therapien nutzen das Immunsystem des Patienten, um Krebszellen gezielt zu eliminieren. Trotz ihrer Wirksamkeit ist die Produktion dieser Therapien komplex und kostspielig. Bei der Herstellung der CAR-T-Zellen ist der Grad der manuellen Arbeitsschritte hoch, die Anzahl an kontinuierlicher automatisierter Prozessüberwachung niedrig. Dies führt dazu, dass die umfassende Datenverfolgung und Qualitätskontrolle sowie die Herstellung jeder Charge, die für jeden Patienten einzigartig ist, zu hohen Produktionskosten führen.
Vision eines Digital Twin Frameworks
Die genannten Herausforderungen können wir durch eine flexible, digitale Lösung bewältigen. Dafür schlagen wir das Konzept eines flexiblen Digitaler Zwillings für die effiziente Herstellung von CAR-T-Zellen vor.
Die Hauptmerkmale des Konzepts umfassen:
- Digitalisierung und Automatisierung: Das Framework unterstützt bei der Digitalisierung und Automatisierung des Produktionsprozesses, was zu effizienteren Arbeitsabläufen führt. Dies ermöglicht eine schnellere Produktion und eine bessere Verwaltung der Komplexität individueller Produktionschargen.
- Umfassende Datenrepository: Das System dient als umfassende Datenquelle, die Beobachtungen und Analysen aus allen Produktionsstufen sammelt. Diese Daten sind entscheidend für kontinuierliche Verbesserungen und die Qualitätssicherung.
- Nachverfolgbarkeit und Qualitätskontrolle: Durch die Überwachung jedes Schrittes des Produktionsprozesses gewährleistet das Framework eine hohe Qualität und Einhaltung regulatorischer Anforderungen. Dies vereinfacht den Qualitätskontrollprozess und stellt sicher, dass die Therapien schnell und sicher zu den Patienten gelangen.
Architektur des Digital Twin Frameworks
Das vorgeschlagene Framework ist hierarchisch aufgebaut und unterteilt die Produktion in verschiedene Abstraktionsebenen:
- Prozesse (Processes): Die gesamte Produktion wird in mehrere verbundene Prozesse gegliedert, wie z. B. Blutextraktion, T-Zell-Auswahl, Aktivierung, genetische Modifikation, Expansion, Ernte und Formulierung.
- Aufgaben und Fähigkeiten (Tasks and Skills): Jeder Prozess besteht aus spezifischen Aufgaben, die weiter in Fähigkeiten unterteilt werden. Diese Fähigkeiten können entweder manuell, maschinell oder softwarebasiert sein, was eine flexible Anpassung an technologische Fortschritte ermöglicht.
- Mikrodienste (Microservices): Feingranulare funktionale Einheiten, die spezifische technische Funktionen ausführen. Diese Mikrodienste sind modular aufgebaut und fördern die Skalierbarkeit und Wiederverwendbarkeit des Systems.
Anwendung und Zukunftsperspektiven
Natürlich muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Entwicklung eines Frameworks allein die ATMP-Produktion nicht revolutionieren kann. Es müssen ebenfalls entsprechende Sensoren entwickelt werden, die im Produktionsprozess onlinefähig Prozessdaten ermitteln können. Auch die Automatisierung von Prozessschritten, z. B. durch fortschrittliche Robotik und KI-gesteuerte Systeme, muss weiter fortgeführt werden.
Obwohl das Framework derzeit ein konzeptionelles Modell ist, bildet es die Grundlage für zukünftige Entwicklungen und Implementierungen in der Praxis. Die modulare Struktur des Systems ermöglicht es, Änderungen und Anpassungen vorzunehmen, ohne das gesamte System zu stören. Dies ist besonders wichtig angesichts der kontinuierlichen technologischen Fortschritte und der dynamischen Natur der biotechnologischen Produktion, die unterschiedliche Grade der Automatisierung und Digitalisierung aufweist. Ein nächster Schritt soll die Umsetzung und Evaluierung des Systems in einer realen Produktionsumgebung sein. Sobald wir diesen gehen, melde ich mich wieder. Bleiben Sie am Ball!
Der CIRP-Vortrag »A Flexible Digital Twin Framework for ATMP Production – Towards an Efficient CAR T Cell Manufacturing«, zu Deutsch: »Ein flexibler, digitaler Zwilling für die ATMP-Produktion – Auf dem Weg zu einer effizienten Herstellung von CAR-T-Zellen«, wird im Tagungsband veröffentlicht. Sobald dieser auf ScienceDirect verfügbar ist, geben wir Ihnen Bescheid.
Hintergrund
CAR-T-Zellen sind gentechnisch veränderte körpereigene T-Zellen des Patienten: T-Zellen gehören als eine wichtige Gruppe von Zellen zu unserem adaptiven Immunsystem und tragen maßgeblich zur Abwehr von Infektionen und zur Kontrolle von entarteten Zellen bei. Sie werden aus dem Blut des Patienten entnommen und im Labor gentechnisch so verändert, dass sie einen künstlichen Rezeptor (CAR) auf ihrer Oberfläche exprimieren. Die Abkürzung CAR steht für »Chimärer Antigenrezeptor«. So ermöglicht es der CAR den T-Zellen, spezifische Antigene auf Krebszellen zu erkennen und gezielt anzugreifen. Die veränderten CAR-T-Zellen werden dem Patienten per Infusion zurückgegeben, wo sie sich vermehren und eine Immunreaktion gegen den Krebs auslösen.