Was heißt hier intelligent?

»Intelligenz« ist ein mächtiger Begriff und sie ist attraktiv. Wer möchte sie nicht besitzen? Dabei ist schon für Menschen nicht so eindeutig definiert, was Intelligenz genau meint. Jetzt soll es auch noch Maschinen geben, die uns Menschen nacheifern oder gar »intelligenter« sind als wir. Das löst bei vielen Menschen Sorgen aus. Sind diese berechtigt? Um hier Licht ins Dunkel zu bringen, spricht Prof. Dr. Marco Huber am 28. Oktober 2021 in der Württembergischen Landesbibliothek zum Thema »Künstliche Intelligenz – Lernen Maschinen wie Menschen?« Er thematisiert KI und ihre Historie, ihre Funktionsweise und das menschliche Vorbild sowie Anwendungsmöglichkeiten.

Schauen Sie sich einmal diese Liste an und überlegen Sie, welche Gemeinsamkeit allen aufgezählten Punkten zugrunde liegt: Musik komponieren, die Kreditwürdigkeit von Bankkunden einschätzen, ein Bild malen, ein Computerprogramm erstellen, Gurken entsprechend ihrem Aussehen automatisch in Qualitätsklassen einordnen (ja, das haben Sie richtig gelesen), für ein Vorstellungsgespräch die Bewerber vorauswählen, über die Qualität eines Produktionsergebnisses urteilen, maschinelle Gespräche mithilfe von Chatbots führen oder autonome Funktionen beim Autofahren unterstützen. Sie werden es sich gedacht haben – für all die Aktionen werden bereits heute Verfahren der »Künstlichen Intelligenz« (KI) genutzt und das mitunter sehr erfolgreich. Die Liste ließe sich über viele Zeilen fortführen und mit Sicherheit wären einige Überraschungen dabei.

Der Turing-Test als Intelligenztest für Maschinen?

Fakt ist: Auch wenn KI ein aktuelles Hype-Thema ist und erst jetzt die technischen Grundlagen für einen breiten Einsatz geschaffen sind (Digitalisierung, Rechenleistung, Algorithmen), reichen seine Wurzeln bereits bis in die 1950er Jahre zurück. Es war die Zeit des berühmten Turing-Tests. Hierbei stellte eine Person Fragen, die eine Maschine oder ein Mensch beantwortete. Konnte die Person nicht unterscheiden, ob die Antwort von der Maschine oder dem Menschen kam, hatte die Maschine den Turing-Test bestanden. Schon damals ging es also darum, die Fähigkeiten von Menschen und Maschinen zu vergleichen. Bis heute dauert die Debatte an, welche Kriterien genau für das Gewinnen des Turing-Tests anzusetzen sind und wie aussagefähig die Ergebnisse in Bezug auf die Leistungsfähigkeit einer KI sind.

Der Vorsprung des Menschen gegenüber der KI

Wenn aktuell über KI gesprochen wird, ist meistens deren Teilgebiet maschinelles Lernen gemeint, also das Lernen anhand von Mustern in Daten. Es wird aktuell am meisten beforscht und am häufigsten eingesetzt. Insbesondere Verfahren des »Deep Learning«, also künstliche neuronale Netze, erfreuen sich großer Beliebtheit. Neuronale Netze sind vom menschlichen Gehirn inspiriert und ähneln dem Aufbau unserer Nervenzellen. Ein Vorbild der Natur hat die Technik inspiriert und deutlich beeinflusst, wie es im Kontext der Biologischen Transformation auch in vielen anderen produktionsnahen und weiteren Themenbereichen zu beobachten ist. Ein solches neuronales Netz lernt anhand von Daten und um richtig gut zu werden, braucht es sehr viele Daten. Hier haben wir Menschen einen deutlichen Vorteil: Wir können bereits anhand von wenigen Beispielen lernen, beispielsweise ein Bildmotiv von anderen zu unterscheiden. Bis ein Algorithmus dies kann, braucht er viele Beispiele, anhand derer er verallgemeinern lernt.

Ein weiterer Aspekt, bei dem der Mensch der KI in jedem Fall voraus ist, ist die Leistungsstärke kombiniert mit Vielseitigkeit. Es gibt einerseits KI-Technologien, die sind besonders leistungsstark und in einem bestimmten Aspekt dem Menschen überlegen. Man denke ans Schach- oder Go-Spielen oder auch an die erwähnte Bildklassifikation. Allerdings haben sie in keiner anderen Tätigkeit diese herausragenden Fähigkeiten.

Dann gibt es andererseits KI-basierte Entwicklungen wie beispielsweise humanoide Roboter. Diese könnten künftig ähnlich vielseitig wie der Mensch agieren. Allerdings sind sie darin nicht besonders leistungsstark. KI-Technologien können sich aktuell also bestenfalls punktuell an die menschliche Intelligenz annähern, wenn man diese als flexible Lösungskompetenz in einer Vielzahl von Kontexten ansieht: Keine KI kann zunächst ein Klavierlied vorspielen, danach ein Essen kochen, die Küche aufräumen und schließlich eine Diskussion mit dem Partner führen – und das wird auch auf lange Sicht so bleiben. Insofern sind jegliche Überhöhungen von KI – sei es als Heilsbringer oder als gefährliche Über-Instanz – irreführend.

Bessere Erklärbarkeit schafft Vertrauen und Rechtssicherheit

Dass KI-Technologien ein immenses Potenzial insbesondere für den industriellen Einsatz, aber auch für viele andere Lebensbereiche haben, gilt als unbestritten. Und mit Sicherheit hatten wir alle auch bereits häufiger mit KI zu tun, als wir es vermuten würden. Gleichzeitig kommt der KI-Einsatz in vielen Domänen noch nicht so richtig in Schwung. Dabei wäre es essenziell, dass Deutschland hier nicht den Anschluss verliert und sich technologisch im weltweiten Wettbewerb hält.

Ein Schlüsselfaktor für einen breiteren Einsatz ist die Zuverlässigkeit von KI. Ein entscheidendes Kriterium hierfür ist ihre Erklärbarkeit. Denn vielen KI-Algorithmen wie neuronalen Netzen mangelt es an Transparenz. Sie gelangen zwar selbstständig zu einer Lösung, aber es ist selbst für Experten nicht immer nachvollziehbar, wie sie diese Lösung erzielten. Das ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Wie sollen Menschen einer Technologie vertrauen und diese akzeptieren, wenn sie nicht nachvollziehen können, wie das Ergebnis zustande kommt? Hinzu kommen rechtliche und ethische Anforderungen, die nur durch ausreichende Transparenz eines KI-Algorithmus erfüllbar sind. Schließlich können die Technologien nur dann passend weiterentwickelt werden, wenn auch klar ist, welche Fehlerquellen sie haben und an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um sie »intelligenter« zu machen.

Kein Wunder also, dass das Forschungsgebiet der »erklärbaren KI« (xAI) aktuell sehr beliebt ist. Auch Marco Huber entwickelt mit seinem Team Methoden, wie aus der »Black Box KI« eine »White Box« werden kann. Erfahren Sie hierzu wie auch zu vielen anderen Themen rund um KI mehr in seinem Vortrag. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme und Fragen im Chat oder live vor Ort.

Wer sich vorab oder im Nachgang zum Vortrag weiter informieren möchte, kann dies auch anhand eines Vortrags von Marco Huber auf Youtube tun, der das Thema Maschinelles Lernen und dessen Erklärbarkeit behandelt. Reinschauen lohnt sich!

 

Der kostenfreie Vortrag »Künstliche Intelligenz – Lernen Maschinen wie Menschen?« findet am 28. Oktober 2021 um 18.00 Uhr als Hybridveranstaltung im Rahmen der Vortragsreihe »Biointelligenz« der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart statt.

 

Anmeldung zur Präsenzveranstaltung: https://www.supersaas.de/schedule/wlb-reservierung/Kulturprogramm?week=43

Zugangslink zum digitalen Saal (keine Anmeldung erforderlich): https://wlbstuttgart.my.webex.com/meet/wlb-stuttgart


Was?
»Künstliche Intelligenz – Lernen Maschinen wie Menschen?«


Wer?
Prof. Dr. Marco Huber, Leiter des Zentrums für Cyber Cognitive Intelligence sowie der Abteilung Bild- und Signalverarbeitung am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA sowie stellvertretender Leiter des Instituts für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF der Universität Stuttgart


Wann?
28. Oktober 2021, 18 Uhr


Wo?
Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart

Weitere Infos und Programm: https://www.wlb-stuttgart.de/die-wlb/kultur-und-wissenschaft/veranstaltungen/biointelligenz/

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