Tape2Grape – ein neues biobasiertes, biologisch abbaubares und mit Funktionsstoffen ausgestattetes Veredelungsband für den Obst- und Landbau

Bei der Pflanzenkultivierung, insbesondere beim Obst- und Weinanbau, kommen Veredelungsbänder aus Kunststoff zum Einsatz. Das Problem: Sie wachsen oft ein oder fallen ab und verbleiben so als Abfall in der Umwelt. »Das geht besser!« dachten sich Forscherinnen des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Straubing. Mit ihrer Neuentwicklung »Tape2Grape« wollen sie eine umweltfreundliche, weil bioabbaubare Alternative bieten, die das Zusammenwachsen von Pflanzenteilen als eine »bioinspirierte künstliche Rinde« sogar noch zusätzlich fördert.

»Jeder starke Baum war einmal eine kleine Pflanze und jede große Tat beginnt mit einem kleinen guten Gedanken.«

Mit diesem Spruch des Tages möchte ich gerne unseren heutigen Blog-Beitrag zum Thema Pflanzen-Veredelung und unser geplantes Produkt Tape2Grape einleiten. In unserem Fall hatte diesen kleinen guten Gedanken meine Kollegin Manuela Kaiser und die Idee zu Tape2Grape kam ihr im heimischen Garten, als bei einem Veredelungsversuch eines Haselnussstrauches das herkömmliche Kunststoff-Band im Baum eingewachsen ist und somit leider in der Umwelt verbleibt. Unterstützt wird sie in der Projektumsetzung tatkräftig von Claudia Falcke durch ihre Expertise in der Kunststoffverarbeitung.

Was bedeutet eigentlich »Veredeln«?

Von Veredeln wird im Obst- und Landbau gesprochen, wenn ein Edelreis, ein wenige Zentimeter langes Zweigstück einer Obst- oder Weinsorte, auf eine Unterlage (Wurzelstock) gepfropft wird. Hier spricht man von der sogenannten Kopulationstechnik, welche im Winter angewendet wird. Eine weitere Möglichkeit ist die Okulationstechnik im Sommer, bei der eine Edelknospe, das heißt eine ruhende Knospe bzw. Auge, in die Rinde eines Baumes eingebracht wird.

Warum werden Obstbäume oder Weinreben veredelt?

Eine Veredelung1 wird aus mehreren Gründen durchgeführt. Zum einen können durch diese Technik Ursorten über lange Zeit erhalten werden, da alle veredelten Bäume der gleichen Sorte genetisch identisch sind. Dies ist nicht der Fall, wenn man z. B. einen Apfelkern in den Boden einbringt, dann hätte der daraus entstehende Baum nicht mehr die gleichen Merkmale wie die Mutterpflanze, also die ursprüngliche Sorte, da die Apfelblüte mit einem unbekannten Pollen einer anderen Sorte bestäubt wurde. Zum anderen können die Wuchsstärke, die Widerstandskraft gegen Krankheiten und der Fruchtertrag durch Auswahl der entsprechenden Unterlagen und Edelreiser gesteigert werden. Ein weiterer großer Vorteil besteht darin, dass Sorten angebaut werden können, die eigentlich auf dem vorhandenen Boden nicht wachsen würden, da die Unterlage darauf abgestimmt werden kann.

Veredelungsbänder – Wofür sind diese notwendig und welche werden bisher angewendet?

Für den Veredelungsprozess2 werden Edelreiser und Grundlage schräg angeschnitten und zusammengefügt. Veredelungsbänder werden hierbei verwendet, um die Schnittstelle luftdicht zum Schutz vor Feuchtigkeit und eindringenden Bakterien und Pilzen zu verschließen und das Verwachsen zu fördern. Kommerziell verfügbare Veredelungsbänder sind als Verbrauchsmaterialien überwiegend aus petrochemischen Rohstoffen hergestellt, landen als Plastikrückstände im Boden und sind nicht oder nur sehr langsam bioabbaubar. Bei manchen Arten von Veredelungsbändern ist es auch notwendig, die Bänder wieder abzuschneiden, damit diese nicht in das Gehölz einwachsen.

Tape2Grape – bioabbaubare und funktionale Alternative

Tape2Grape stellt hier eine umweltfreundliche und innovative Alternative zu den monofunktionalen und meist erdölbasierten kommerziell erhältlichen Produkten dar. Durch gezielte Auswahl der eingesetzten Basispolymere und Inhaltsstoffe erzeugen wir am Fraunhofer IGB in dem vom Bundeministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt Tape2Grape ein multifunktionales, biobasiertes und biologisch abbaubares Veredelungsband. Ziel ist es, die mechanischen und pflanzenheilenden Eigenschaften des Bands über die Funktionalitäten der Ausgangsstoffe zu steuern. Durch Einsatz von antibakteriellen, antiviralen und antimykotischen Bestandteilen, die in das Material integriert werden und so eine »bioinspirierte künstliche Rinde« bilden, soll das Gehölz im Heilungsprozess aktiv unterstützt werden, indem es einem Befall mit pathogenen Erregern an der offenen Baumwunde vorbeugt.

Vorteile: abbaubar, bioaktiv, anpassbar

Tape2Grape stellt einen wirtschaftlichen und ökologischen Mehrwert im kommerziellen als auch im ökologischen Obstbau dar. Das Veredelungsband wird aus biobasierten Polymeren hergestellt und kann mit bioaktiven Stoffen ausgestattet werden. Durch die Bioabbaubarkeit kann das Band nach dem Veredeln im Anbaugebiet verbleiben und verrotten, da es für die Umwelt im Vergleich zu den Mikroplastik-Rückständen bei Konkurrenzprodukten nicht schädlich ist. Ebenso entfällt der Arbeitsschritt der Entfernung des Veredelungsbandes, da der Bioabbau so gesteuert werden soll, dass das Band rechtzeitig beim Wachstum des Bäumchens von der Veredelungsstelle abfällt und dadurch ein Einwachsen in den Stamm verhindert wird. Das neuartige Veredelungsband Tape2Grape kann darüber hinaus auch für bestimmte Anforderungen maßgeschneidert, z. B. mit Düngerbestandteilen ausgerüstet, werden. So können weitere erhebliche Vorteile wie eine Bodenverbesserung als Nebeneffekt erreicht werden, wenn es vor Ort verrottet.

 

Quellenangaben:

[1] https://www.mdr.de/mdr-garten/pflegen/pflanzenschnitt/obstbaum-veredeln-apfel-pflaume-veredelung-anleitung-100.html, letzter Zugriff 27.04.2023.

[2] https://www.schacht.de/veredelung-im-winter/, letzter Zugriff 27.04.2023.

 

Biobasiertes Veredelungsband: schützt das veredelte Gehölz und verrottet im Laufe der Zeit.
Einsatzbereich von Veredelungsbändern im Obstbau (links), funktionale Anwendung an der Veredelungsstelle (Mitte) und angestrebte innovative Eigenschaften (all-in-one) (rechts).

Kommentar schreiben