Artenvielfalt-Biologische-Transformation

Biologische Transformation: Globale Probleme angehen und Lebensgrundlagen erhalten

Globale Veränderungen vollziehen sich, die konsequentes Handeln und technologische Antworten erfordern. Können wir den Klimawandel stoppen? Was ist der richtige Weg? Die Biointelligenz ermöglicht einen systemischen smarten Wandel hin zu einem nachhaltigen Handeln in vielen Lebensbereichen.

In Anbetracht der vielen globalen Probleme – dramatisches Artensterben, multiresistente Keime, Anstieg von Lungen- und hormonabhängigen Krebserkrankungen, Mikroplastik überall in der Nahrungskette, Nitratisierung des Trinkwassers, von Feinstaub belastete Luft etc. –, die alle menschen- bzw. technikgemacht sind, stellt sich die Frage des »Weiter so?« oder »Wie können wir es ändern?«.

Wir müssen dringend handeln, aber wie?

Hinter jedem der genannten Beispiele stecken viel Dramatik und Opfer, die verbunden sind mit zahlreichen Ursachen und Auswirkungen, deren Dimensionen uns beim einmaligen Drüberlesen oft nicht bewusst werden –  zumal die täglichen Corona-Nachrichten und die »Standard-Hiobsbotschaften« viele haben etwas abstumpfen lassen. Deshalb möchte ich das erste in der Aufzählung genannte »Artensterben« einmal exemplarisch herausgreifen und etwas näher skizzieren, um Ihnen meine Betroffenheit verständlich zu machen. Denn aus dieser entspringt mein Antrieb für mein Engagement in meinen Forschungsprojekten rund um die Biologische Transformation!

Artensterben in Wellen

Während Sie diesen Artikel lesen, stirbt vermutlich gerade eine Spezies aus und das meist sogar, bevor wir sie überhaupt kennengelernt haben. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen zur Artenvielfalt sterben täglich bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten aus. Sie müssten demnach den Post in elf Minuten durchgelesen haben. Mit jeder Art geht auch ein Vorbild verloren, von dem wir Menschen etwas hätten lernen können.

Seit dem Kambrium, also als das Leben vor 540 Millionen Jahren begann, sich rasant in Form von Arten zu manifestieren, starben die Arten nicht gleichmäßig aus, sondern in fünf großen Wellen. Diese Wellen resultierten aus drastischen Veränderungen der Umweltbedingungen, die meist einen kosmischen und geologischen Ursprung hatte. Gerade hat übrigens die sechste Aussterbewelle mit dem Namen Anthropozän begonnen. Das ist das Zeitalter, in dem der Mensch maßgeblicher Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist.

Einflussfaktor Mensch

Diese Welle ist nicht so schlagartig folgenreich wie ein gigantischer Meteoriteneinschlag vor 65 Millionen Jahren, mit dem das Zeitalter der Dinosaurier endete. In geologischen Zeiträumen betrachtet sind die drastischen Veränderungen der letzten 100 Jahre und der nächsten 50 Jahre sogar nur ein Wimpernschlag der Menschheits- und erst recht der Erdgeschichte. Der Bericht der Vereinten Nationen (UN) zum Stand der Artenvielfalt im Mai 2019 kommt dennoch zu einem desaströsen Ergebnis: Zwischen 500.000 und 1.000.000 Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Die Aussterberate liegt infolge des menschlichen Einflusses um Faktor 10 bis 100 über dem »Grundrauschen« des Artensterbens der letzten zehn Millionen Jahre. Und wenn der Anstieg der Jahresmitteltemperatur um zwei Grad eintrifft, werden 99 Prozent der Korallenriffe mit großer Wahrscheinlichkeit absterben.

Ähnliche »Point of no Return«-Marken, also Punkte, an denen keine Wiederherstellung oder Genesung mehr möglich ist, werden in jedem Ökosystem etwas anders liegen. Allen gemeinsam ist, dass sie zum Kollaps der jeweiligen Ökosysteme und zum Verschwinden von deren Bewohnern führen. Danach kommt ein neues Ökosystem, das aber ganz anders aussehen wird. Gehen Sie davon aus, dass Ihre Enkel in einer stark veränderten Welt leben werden, in der sie vieles nur noch vom Video her bewundern werden können.

Was steckt hinter dem Konzept der Biologischen Transformation?

Dass wir dringend handeln müssen, ist klar: Wir sind gerade dabei, unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Eine Antwort, wie wir es ändern können, bietet das Konzept der Biologischen Transformation. Es ist eine konsequente Kombination von Disziplinen, die so intensiv noch nie und auf allen denkbaren Ebenen konzertiert haben. Jede existierte bisher schon und konnte alleine aber nur eine begrenzte Wirkung entfalten: Mit 1. dem Wissen, wie die Natur funktioniert, und 2. mit der Nutzung der genialen Stoffwechselleistung von Organismen und 3. dem konsequenten intelligenten Einsatz nachwachsender Rohstoffe können Produkte und Herstellungsprozesse, ja sogar das Wirtschaftssystem als Ganzes nachhaltig gestaltet werden. Das allein klingt althergebracht und könnte auch schon für das Leben in vorindustrieller Zeit werben.

Das Ganze wird aber durch die konsequente Kombination mit moderner Technik und den Errungenschaften der Digitalisierung auf ein technologisch hohes Niveau gehoben. Das Neue ist also, dass biologisches Wissen via Bionik, Biotechnologie und Bioökonomie für die Wirtschaft und Industrie verfügbar und anwendbar wird, und dass viele Prozesse dank der digitalen Vernetzung erst sensortechnisch erfassbar und in Echtzeit auswertbar sind.

Stufen der Biointelligenz

Wie kann die Biologische Transformation funktionieren?

Was ist die Erklärung dafür und gibt uns Hoffnung, dass daraus die oben genannten Probleme endlich in den Griff zu bekommen sind?

  1. Wir kennen nur die Natur, die so lange überlebt hat. Fast jede Art, oder wie der Techniker sagen würde, jedes »Modell«, hat Millionen Jahre Entwicklung hinter sich. Zu verstehen und zu lernen, warum dieses System resistent, resilient und anpassungsfähig ist, und wie es sich nach globalen Katastrophen »neu erfunden« hat, hat ein hohes Potenzial für die Entwicklung von Technik.
  2. Die Mikroorganismen halten so viele Möglichkeiten bereit, komplexe (Wirk-)Stoffe auf- und Abfallstoffe abzubauen. Hieraus resultieren neue, sanfte Verfahren, die sich besonders durch ihre Umweltfreundlichkeit auszeichnen.
  3. Biogene Rohstoffe, die regional erzeugt werden können, als Startpunkte für Wertschöpfungsketten zu nutzen, reduziert nicht nur weltumspannende Logistikketten, sondern ermöglicht auch die umweltschonende Abfallentsorgung und das Recycling.
  4. Ebenso wenig wie nationale Alleingänge globale politische Probleme lösen, kann einzeldisziplinäres Handeln technologische Probleme lösen. Die genannten Probleme sind komplex und erfordern transdisziplinares Zusammenarbeiten. Das Lösungsangebot der Biologischen Transformation ist durch eine Vielzahl an notwendigen Wissensbereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften auch komplex. Aber weil diese sich dessen bewusst sind, wollen sie bisherige Grenzen und mögliche Alleingänge im Hinblick auf das höhere Ziel überwinden und sehr eng kooperieren. Denn die Kooperation ist eines der erfolgreichsten Erfolgsmodelle der Evolution!

Die zwei Wege, die Umwelt zu retten

Es gibt zwei Wege, den Ressourcenverbrauch, den CO2-Footprint und die Inanspruchnahme der Umwelt durch jeden Menschen zu reduzieren: Der eine ist, den Gürtel dramatisch enger zu schnallen, das Rad in der Geschichte zurückzudrehen, eine Verzichtkultur global zu verordnen. Es ist aber utopisch, einer existenten und wachsenden Konsumklasse (zu der im Jahr 2025 53 Prozent der Weltbevölkerung gehören werden) mit wachsenden persönlichen Freiheiten die Bedürfnisbefriedigung vorzuenthalten. Es wird nur wenigen starken Persönlichkeiten gelingen, dieses bewusstere Leben zu wählen.

Der andere Weg ist, nicht in die Konsumfreiheit und Produktvielfalt einzugreifen, aber die Wertschöpfungsketten, die Rohstoffbasis, die Herstellungsprozesse dahinter, die Haltbarkeit von Produkten und die Recycling- und Kreislauffähigkeit so zu verändern, dass diese unproblematisch für die Umwelt und Mitwelt werden. Die Natur macht uns vor, wie das gehen kann. Wir müssen nur genau hinschauen und die Prinzipien analysieren, entschlüsseln und kreativ in die Technik und Wirtschaft transferieren. Die Werkzeuge sind meist prinzipiell vorhanden. Die technologischen Entwicklungen müssen jetzt auf den Weg gebracht werden – von öffentlicher Hand gefördert und von der Industrie nachgefragt. Die Wirtschaft ist aufgefordert, nicht zu warten, bis die Produkte und Prozesse fertig sind und der Markt danach fragt (Pull-Prinzip), sondern frühzeitig in die Entwicklung einzusteigen (Push-Prinzip).

Wer produziert die nachhaltige Zukunft?

Viele arbeiten mittlerweile daran. Die Fraunhofer-Institute IPA und IGB am Standort Stuttgart gehörten zu den allerersten, die sich damit beschäftigten. Sie sind in der Fraunhofer-Gesellschaft die Leitinstitute für die Biologische Transformation. Sie sind Vorausdenker für die Wertschöpfungsketten des biologisch transformierten Zeitalters. Sie arbeiten an zahlreichen Leichtturmprojekten, welche die verschiedenen Aspekte und Machbarkeit der Biologischen Transformation zeigen werden – ganz gemäß dem Fraunhofer-Motto »Wir produzieren Zukunft«. Hier arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der relevanten Disziplinen bereits eng zusammen. Wenn Sie Beratung zur und Unterstützung bei der Veränderung Ihrer Wertschöpfungskette wünschen, dann treten Sie gerne mit mir in Verbindung.

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