Auf die Formulierung kommt es an

Am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB forscht die Chemikerin Dr. Carmen Gruber-Traub an Formulierungsverfahren für Wirkstoffe – etwa Arzneistoffe, Pflanzenschutzmittel oder auch kosmetische Effektstoffe. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der »Verkapselung« mithilfe von kleinsten Partikeln. Diese Methode ermöglicht es, Substanzen punktgenau an ihren Zielort zu transportieren, sodass sie ihre Wirkung optimal entfalten können. Im Biointelligenz-Blog beantwortet sie die wichtigsten Fragen zur Formulierung und Verkapselung von Wirkstoffen.

Warum müssen Wirkstoffe formuliert werden?

Die Formulierung ermöglicht die Bereitstellung von Wirkstoffen in einer Form, die eine gute Anwendbarkeit und optimale Verfügbarkeit aufweist. Damit etwa eine pharmazeutische Substanz ihre Wirkung entfalten kann, muss sie zunächst vom Körper aufgenommen und hier verteilt bzw. an den spezifischen Wirkort, also in ein Gewebe oder Organ, transportiert werden. Die Formulierung eines Wirk- oder Effektstoffs hat unter anderem genau dies im Blick: Wie kann ich einen Wirkstoff optimal verabreichen, damit er auch am Zielort ankommt – und dabei möglichst nicht verändert wird?

Die wichtigsten Barrieren im Körper stellen Zellmembranen dar, die den Wirkort in der Zelle gegenüber den Wirk- und Effektstoffen abschirmen. Im Fall von Wirkstoffen, die im Gehirn wirken, stellt die Blut-Hirn-Schranke eine zu überwindende Barriere dar. Die intranasale Verabreichung von Substanzen über die Riechschleimhaut ist hier eine vielversprechende Methode, um direkten Zugang zum Gehirn zu ermöglichen. Dieser Weg umgeht die Blut-Hirn-Schranke und ermöglicht es Substanzen, schneller und effizienter in das zentrale Nervensystem einzutreten.

Ein weiteres Problem ist der Abbau oder der Umbau der Wirkstoffe im Körper. Eine solche Verstoffwechselung (Metabolisierung) kann die gezielte Wirkung der Medikamente am Zielort vermindern oder zu unerwünschten Nebenwirkungen führen.

Welche Vorteile und Möglichkeiten bietet die Verkapselung von Wirk- und Effektstoffen?

Am Fraunhofer IGB umgehen wir diese Nachteile mit partikulären Wirkstoffformulierungen. Das bedeutet, wir verkapseln den Wirkstoff in polymerbasierte funktionale Nano- oder Mikropartikel. Durch die Verkapselung können wir einerseits niedermolekulare Substanzen wie Duftstoffe oder Vitamine »verpacken«, aber auch Proteine, Antikörper und Enzyme – unter vollständigem Erhalt ihrer (Bio-)Aktivität. Die Verkapselung ermöglicht die Ausbildung eines dreidimensionalen Schutzraums für den Wirkstoff, da dieser durch die umgebende Hülle von seiner Mikro-Umgebung getrennt wird: Vitamine können auf diese Weise vor Oxidation geschützt werden, reaktive Agenzien vor chemischen Reaktionen.

Durch die Integration Effektstoff-beladener Partikel in textile Materialien entstehen Produkte mit verbesserten funktionalen Eigenschaften hinsichtlich Komfort, Leistung und Schutz, z. B. mit antimikrobieller Wirkung oder integriertem Insektenschutz.

Wir können unangenehme Geschmacksstoffe auch »maskieren«. Die bittere Zutat eines Arznei-, Nahrungsergänzungs- oder Futtermittels schmeckt man dann nicht, weil sie verkapselt ist und erst am Zielort (Magen oder Darm) freigesetzt wird. Zu guter Letzt ermöglicht die Verkapselung in Partikeln auch die kontrollierte Freisetzung eines Wirkstoffs.

Wie steuern Sie die kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs?

Zur Verkapselung verwenden wir vorzugsweise Biomaterialien wie Alginat, Chitosan, Gelatine, aber auch kommerziell erhältliche Polymere. Die Materialien wählen wir immer spezifisch für die beabsichtigte Anwendung aus. Durch Variation des eingesetzten Polymers, der Partikelgröße, des Beladungsgrads und des Molekulargewichts können wir – individuell angepasst – die Freisetzungskinetik der eingekapselten Stoffe beeinflussen. So können auch Freisetzungen über sehr lange Zeiträume (Ultralong Drug Release) von drei bis vier Monaten realisiert werden.

Wie stellen Sie sicher, dass die Partikel unbedenklich sind?

Wichtig bei den eingesetzten Polymeren sind vor allem Biokompatibilität, biologische Abbaubarkeit oder vollständige chemische Inaktivität und Beständigkeit. Je nach Fragestellung und Anwendung setzen wir bereits zugelassene Polymere ein. Von besonderem Interesse sind hierbei auch bioabbaubare Verbindungen, da diese nach ihrer Anwendung im Körper oder in der Umwelt vollständig metabolisiert oder zersetzt werden.

Welche weiteren Potenziale sehen Sie für die Medizin?

Die Verkapselung von Wirkstoffen eröffnet innovative Wege für medizinische Anwendungen, von personalisierten Therapien bis hin zu präzisen Diagnosemethoden. Mit Verkapselungstechniken können wir Partikel für die Therapie von verschiedenen Erkrankungen entwickeln, die in der Lage sind, Wirkstoffe gezielt in Zellen einzuschleusen. Die Verkapselung von Krebsmedikamenten in Partikeln ermöglicht darüber hinaus eine gezielte Abgabe von Wirkstoffen an Krebszellen, wodurch gesundes Gewebe geschont und die Effizienz der Therapie erhöht wird. Bei der Vakzine-Entwicklung kann die Verkapselung von Impfstoffbestandteilen die Stabilität erhöhen und die Freisetzung der Wirkstoffe für eine verbesserte Immunantwort steuern.

Wie kann die Verkapselungstechnologie die Landwirtschaft nachhaltiger und effizienter machen?

In Düngemitteln können Mikropartikel verwendet werden, um Nährstoffe in einer leicht absorbierbaren Form bereitzustellen. Es ist auch denkbar, bei der Aussaat von Saatgut Mikropartikel in Beschichtungen einzusetzen, um die Samen mit Nährstoffen, Schutzmitteln oder anderen Substanzen zu versehen und so die Keimung und das frühe Wachstum der Pflanzen zu fördern. Werden Mikropartikel in Pestiziden und Herbiziden eingesetzt, können Schädlinge und Unkräuter nicht nur gezielter und effektiver bekämpft, sondern auch gleichzeitig mögliche Umweltauswirkungen reduziert werden. Denn man benötigt dann viel geringere Mengen und Dünger oder Pflanzenschutzmittel werden kontrolliert über längere Zeiträume abgegeben. So werden sie mehr oder weniger vollständig über die Wurzeln aufgenommen und gelangen erst gar nicht in größeren Mengen in Boden und Grundwasser.

In solchen Fällen eignen sich biobasierte und bioabbaubare Polymere zur Verkapselung, wie beispielsweise Chitosan, Inulin oder Alginat. Nach Freisetzung der Wirkstoffe werden sie im Boden einfach eingebaut. Die kontinuierliche Entwicklung und Implementierung innovativer Verkapselungstechnologien ist von entscheidender Bedeutung, um eine nachhaltige und produktive landwirtschaftliche Praxis zu fördern.

Und wie funktioniert die Verkapselung von Pflanzenschutzmitteln?

Der wichtigste Bestandteil eines Pflanzenschutzmittels ist der Wirkstoff. Die überwiegende Mehrheit der Pflanzenschutzmittel wird bisher mit Wasser ausgebracht. Unter anderem bei Pestiziden erreicht nur ein geringer Anteil des Wirkstoffs die eigentlichen »Zielorganismen« direkt. Durch Einsatz von verkapselten Pflanzenschutzmitteln können diese kontrolliert und in geringeren Mengen eingesetzt werden. Es ist auch möglich, mehrere Wirkstoffe gemeinsam zu verkapseln. Diese Mikroverkapselung kann zu einer abgestimmten Freisetzung in verschiedenen Zeitintervallen führen. Der Ernteertrag wird hierdurch gesteigert, der Einsatz von chemischen Substanzen reduziert. Dies führt – neben der deutlich erhöhten Umweltverträglichkeit – zu erheblichen Einsparpotenzialen.

Dr. Gruber-Traub und ihr Team am Fraunhofer IGB stellen ihre Expertise bei der Formulierung von Wirkstoffen für Kunden und Partner aus der Medizin- und Pharmabranche, aber z. B. auch aus der Landwirtschaft oder aus der Kosmetikindustrie bereit. Grundsätzlich ist das IGB der passende wissenschaftliche Dienstleister, wenn es um die Optimierung von Wirkstoffen geht – unabhängig von der Branche. Wollen auch Sie ihre Produkte nachhaltig verbessern? Kontaktieren Sie uns!

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