Wie Bakterien und Algen zu Schatzsuchern werden – und warum das für uns alle wichtig ist

Elektroschrott ist kein wertloser Müll, sondern kann eine regelrechte Goldgrube sein: Alte Smartphones, Computer und andere Geräte mit begrenzter Nutzungsdauer enthalten wertvolle Metalle, die sich recyceln lassen. In einer Machbarkeitsstudie haben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB nun das Potenzial von Biomining und Bioleaching untersucht – biologische Verfahren, die Mikroorganismen wie Mikroben oder Mikroalgen nutzen. Die Ergebnisse sind vielversprechend.

Stellen Sie sich vor, Sie werfen Ihr altes Handy in die Schublade – wie so viele von uns. Es ist alt, langsam, vielleicht sogar kaputt. Aber was wäre, wenn ich Ihnen sage, dass in diesem kleinen Gerät ein Schatz verborgen liegt? Nein, kein vergessener Bitcoin-Schlüssel oder ein geheimes Liebesgeständnis – sondern echte, wertvolle Metalle wie Palladium und Neodym. Und jetzt kommt der Clou: Diese Metalle könnten in Zukunft nicht mehr von riesigen Bergwerken, sondern von Mikroben und Algen zurückgewonnen werden. Klingt verrückt? Willkommen in der Welt des Biomining.

Biomining: Mikroorganismen als »Metallfresser«

Biomining ist ein Verfahren, das auf den Fähigkeiten von Mikroorganismen und Mikroalgen basiert, Metalle aus festen Materialien zu lösen und aufzunehmen. Was zunächst nach Science-Fiction klingt, ist tatsächlich ein ernstzunehmender Forschungsansatz, der das Potenzial hat, unsere Art des Recyclings grundlegend zu verändern. Das Projekt RüBioM, durchgeführt vom Fraunhofer IGB in Stuttgart, hat sich genau diesem Thema gewidmet. Ziel war es, die Machbarkeit biologischer Verfahren zur Rückgewinnung von Metallen aus Elektroschrott zu untersuchen – und die Ergebnisse sind nicht nur spannend, sondern auch gesellschaftlich hochrelevant.

Denn Elektroschrott ist längst kein Randproblem mehr. Weltweit fallen jährlich Millionen Tonnen davon an. Smartphones, Laptops, Fernseher – alles, was blinkt und piept, landet irgendwann auf dem Müll. Dabei enthalten diese Geräte wertvolle Rohstoffe, die für unsere technologische Zukunft essenziell sind. Doch bisher wird nur ein Bruchteil davon recycelt. Der Rest wird verbrannt oder deponiert – mit teils gravierenden Folgen für Umwelt und Gesundheit. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Metallen wie Palladium und Neodym, die für die Herstellung von Elektronik, Elektromotoren und Windkraftanlagen unverzichtbar sind. Die Versorgung mit diesen Metallen ist jedoch oft unsicher, da sie nur in wenigen Ländern abgebaut werden und geopolitischen Risiken unterliegen. Nicht zuletzt durch gestörte Lieferketten konnte die Industrie in Europa erfahren, welche Effekte Engpässe von Edelmetallen haben kann.

Festbettumlaufreaktor des Fraunhofer IGB. © Fraunhofer IGB

Mit Bioleaching Metalle wie Palladium oder Neodym aus Elektroschrott rückgewinnen

Hier setzt Biomining an. Die Idee ist ebenso einfach wie genial: Mikroorganismen wie Chromobacterium sp., Gluconobacter oxydans oder Pseudomonas aeruginosa werden auf zerkleinerten Elektroschrott angesetzt. Sie produzieren Säuren oder andere Stoffe, die Metalle wie Palladium oder Neodym aus dem Material lösen. Dieser Prozess nennt sich Bioleaching. Die gelösten Metalle befinden sich anschließend in einer Flüssigkeit, aus der sie durch Mikroalgen wie Galdieria sulphuraria wieder herausgefiltert werden können. Diese Algen wirken wie biologische Schwämme, die die Metallionen aufnehmen – ein Vorgang, der als Biosorption bezeichnet wird.

Das Besondere an diesem Verfahren ist, dass es unter milden Bedingungen funktioniert. Es werden keine giftigen Chemikalien benötigt, die Prozesse laufen bei niedrigen Temperaturen ab, und die eingesetzten Organismen sind in der Lage, bestimmte Metalle gezielt zu mobilisieren. Das macht Biomining nicht nur umweltfreundlich, sondern auch selektiv und potenziell kostengünstig.

RüBioM – erfolgreiche Machbarkeitsstudie zeigt Potenzial

Im Rahmen des Projekts RüBioM wurden verschiedene Mikroorganismen und Algen getestet, um herauszufinden, welche besonders gut geeignet sind. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere Palladium durch biologische Verfahren effektiv mobilisiert werden kann. In Labortests erreichte Chromobacterium sp. eine Freisetzungsrate von über 13 Prozent – deutlich mehr als mit chemischen Methoden. Auch die Algen zeigten eine hohe Aufnahmefähigkeit: Über 30 Prozent des gelösten Palladiums konnten sie aus der Lösung entfernen. Bei Neodym hingegen war die biologische Rückgewinnung schwieriger. Hier schnitten chemische Verfahren noch besser ab, doch auch erste biologische Ansätze zeigten Potenzial.

Ein weiteres Ziel des Projekts war der Einsatz eines sogenannten Festbettumlaufreaktors, kurz FBUR. In diesem Reaktor wurde das Verfahren im größeren Maßstab getestet, um die Skalierbarkeit zu prüfen. Auch hier konnte Palladium erfolgreich mobilisiert werden, wenn auch mit Herausforderungen wie Biofilmbildung und ungleichmäßiger Durchströmung. Dennoch zeigt der Versuch, dass Biomining nicht nur im Labor funktioniert, sondern auch in Richtung industrieller Anwendung weiterentwickelt werden kann.

Biobasiertes Metall-Recycling ist nachhaltig und reduziert Abhängigkeit von Importen

Die gesellschaftliche Relevanz dieser Forschung kann kaum überschätzt werden. In einer Welt, die zunehmend auf digitale Technologien angewiesen ist, steigt der Bedarf an seltenen und wertvollen Metallen stetig. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Biomining bietet hier eine Lösung, die beide Aspekte miteinander verbindet. Es ermöglicht die Rückgewinnung kritischer Rohstoffe aus Abfallströmen, reduziert die Abhängigkeit von Importen und schont die Umwelt. Darüber hinaus eröffnet es neue Perspektiven für die Kreislaufwirtschaft, in der Produkte nicht mehr einfach entsorgt, sondern als Rohstoffquelle betrachtet werden.

Auch wirtschaftlich ist Biomining interessant. Neue Technologien schaffen neue Märkte – und damit auch neue Arbeitsplätze. Die Entwicklung von Bio-Recyclinganlagen, die Mikroben und Algen zur Metallrückgewinnung einsetzen, könnte ein spannendes Feld für Start-ups, Forschungseinrichtungen und die Industrie werden. Gleichzeitig bietet Biomining die Möglichkeit, bestehende Recyclingprozesse zu ergänzen oder zu verbessern, etwa durch die gezielte Rückgewinnung von Metallen, die mit herkömmlichen Verfahren schwer zu extrahieren sind.

Natürlich stehen wir noch am Anfang. Die Verfahren müssen weiter optimiert, skaliert und wirtschaftlich bewertet werden. Es gilt, die besten Mikroorganismen zu identifizieren, ihre Kultivierungsbedingungen zu verbessern und die Prozesse so zu gestalten, dass sie auch im industriellen Maßstab funktionieren. Doch die Grundlagen sind gelegt – und die Richtung ist vielversprechend.

Unsere Vision: Rückgewinnung im großen Maßstab mit Bio-Recyclinganlagen

Stellen Sie sich vor: In ein paar Jahren gibt es in jeder Stadt eine Bio-Recyclinganlage, in der Mikroben und Algen aus alten Smartphones, Laptops und Festplatten wertvolle Metalle zurückgewinnen. Die gewonnenen Rohstoffe fließen direkt in die Produktion neuer Geräte – lokal, nachhaltig und effizient. Vielleicht wird Ihr nächstes Handy also nicht nur aus recyceltem Material bestehen, sondern aus Metallen, die von Mikroben und Algen zurückgewonnen wurden. Und das alte Gerät in Ihrer Schublade? Das ist vielleicht mehr wert, als Sie denken.

Biomining ist mehr als nur ein spannendes Forschungsthema – es ist ein möglicher Schlüssel für eine nachhaltige, resiliente und ressourcenschonende Zukunft. Das Projekt RüBioM hat gezeigt, dass biologische Verfahren zur Metallrückgewinnung funktionieren und großes Potenzial haben. Jetzt liegt es an uns – der Gesellschaft, der Industrie und der Politik – diesen Weg weiterzugehen. Denn manchmal liegt der Schatz nicht tief unter der Erde, sondern direkt in unserer Schublade.

Gern stehen wir potenziellen Partnern aus der Abfallwirtschaft oder der Industrie mit unserer Expertise für gemeinsame Folgeprojekte zur Verfügung – sprechen Sie uns einfach an!

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