Treffpunkt Zukunft – Die „THE 3R LÄND Conference 2026“ in Tübingen

Wie neue tierversuchsfreie Technologien die biomedizinische Forschung revolutionieren – und welche Impulse aus Tübingen die Forschung voranbringen

Bereits zum zweiten Mal wird Tübingen zum Zentrum der internationalen 3R-Forschung: Vom 24. bis 26. März 2026 lädt das 3R-Center Tübingen für In-vitro-Modelle und Tierversuchsalternativen zur THE 3R LÄND Conference ein. Noch bis einschließlich 14. November 2025 können Abstracts für Fachvorträge und Posterpräsentationen über die Website des 3R-Centers Tübingen eingereicht werden.

Verschiedene Organ-on-Chip-Systeme, die in der biomedizinischen und pharmazeutischen Forschung als humane Testsysteme verwendet werden, um beispielsweise Krankheiten zu verstehen oder Medikamente zu entwickeln. (Foto: 3R-Center Tübingen)

Unter dem Motto „Towards the Future of Biomedical & Pharmaceutical Research with Organoid, Organ-on-Chip and In Silico Models“ bringt die internationale Konferenz führende Expert:innen aus Wissenschaft, Klinik, Industrie, Politik und Behörden zusammen. Ziel ist es, den wissenschaftlichen Diskurs über modernste humanrelevante Modelle zu vertiefen und die konsequente Umsetzung des 3R-Prinzips, speziell im Bereich „Replace“ und „Reduce“ weiter voranzubringen.

Diskutiert werden aktuelle Entwicklungen, Potenziale und Grenzen dieser Methoden – etwa in der personalisierten Medizin, der Krankheitsmodellierung, der Wirkstoffentwicklung oder der Toxikologie.

Mit inspirierenden internationalen Keynotes, vielfältigen Fachvorträgen und reichlich Raum für Austausch und Vernetzung bietet die Konferenz echten Mehrwert – insbesondere auch für Nachwuchsforschende.

Spotlight New Approach Methodologies (NAMs)

Im Zentrum der Konferenz stehen sogenannte NAMs – innovative, tierversuchsfreie Methoden, die mithilfe interdisziplinärer Bioengineering-Ansätze, modernster Zellkulturtechnologien und neuartiger Algorithmen humane biologische Prozesse außerhalb des menschlichen Körpers detailgetreu nachbilden können. Dazu zählen insbesondere Organoide, Organ-on-Chip-Systeme und In-silico-Modelle. Diese Ansätze revolutionieren die biomedizinische und pharmazeutische Forschung und können in vielen zentralen Bereichen zum Einsatz kommen: in der Grundlagenforschung, um Krankheitsmechanismen besser zu verstehen, in der klinischen Forschung zur Identifizierung Patient:innen-spezifischer Therapien, oder in der pharmazeutischen Industrie, für eine schnellere und sicherere Wirkstoffentwicklung.

Durch den Einsatz menschlicher Zellen reduzieren sie schon heute die Abhängigkeit von Tierversuchen und verkörpern die Vision der Biointelligenz: biologische Prinzipien mit technischen Innovationen zu verknüpfen, um komplexe Lebensprozesse besser zu verstehen und Forschung effizienter und nachhaltiger zu gestalten.

Organoide – Menschliche Mini-Organe aus dem Labor

Organoide sind dreidimensionale Zellaggregate, die sich im Verlauf der Differenzierung von Stammzellen selbstständig zu winzigen Organstrukturen organisieren und so dem Aufbau und der Funktion menschlicher Organe erstaunlich nahekommen. Damit bieten sie gegenüber klassischen zweidimensionalen Zellkulturen deutliche Vorteile, da sie die natürliche Struktur von Geweben sowie die Interaktion unterschiedlicher Zelltypen miteinander nachbilden. Da Organoide auf menschlichen Zellen basieren, sind sie Tierversuchen hinsichtlich ihrer Aussagekraft oft überlegen und eröffnen neue Möglichkeiten in Bereichen wie der Krebsforschung, der Krankheitsmodellierung sowie bei der Entwicklung neuer Medikamente.

Organ-on-Chip-Systeme – Hightech im Mikromaßstab

Organ-on-Chip-Systeme sind winzige mikrofluidische Plattformen, die lebende menschliche Gewebe und Organstrukturen eingebettet in eine kontrollierte Mikroumgebung enthalten. Durch feinste Kanäle im Mikrometermaßstab werden die Zellen kontinuierlich über einen künstlichen Blutersatz mit Nährstoffen, Sauerstoff, Hormonen und weiteren löslichen Faktoren versorgt – analog zum Blutkreislauf des Körpers. Gleichzeitig werden über den künstlichen Blutstrom Stoffwechsel- und Abfallprodukte abtransportiert, die wichtige Aussagen über den Zustand der Zellen in den Gewebeäquivalenten im Inneren der Chips zulassen.

Organ-on-Chip-Systeme kombinieren die Vorteile klassischer Zellmodelle (menschliche Zellen und Gene) mit denen von Tiermodellen (dreidimensionale Gewebe, blutflussähnliche Perfusion) und ermöglichen so realitätsnahe Simulationen menschlicher Organfunktionen sowie von Interaktionen unterschiedlicher Organe.

In-silico-Modelle – Wenn Computer zu Superlaboren werden

In-silico-Modelle nutzen computergestützte Simulationen, um komplexe biologische Prozesse vorherzusagen und zu analysieren. Sie beschleunigen die Wirkstoffentwicklung, reduzieren Kosten und tragen dazu bei, die Abhängigkeit von Tierversuchen signifikant zu reduzieren. Gemeinsam mit Organoiden und Organ-on-Chip-Systemen bilden sie ein leistungsstarkes Trio, das Präzision, Effizienz und Humanrelevanz in der Forschung auf ein neues Niveau hebt.

Goodbye Tierversuche? Wie neue Methoden Grenzen verschieben

Doch wie weit sind diese neuen Methoden tatsächlich schon auf dem Weg, Tierversuche zu ersetzen – und wo liegen ihre Grenzen? Das sogenannte 3R-Prinzip – Replace, Reduce, Refine – steht für den Ersatz, die Reduktion und die Verbesserung von Tierversuchen. NAMs eröffnen als sogenannte Ergänzungsmethoden neue Wege, wissenschaftliche Fragestellungen direkt im humanen Kontext zu beantworten – insbesondere dort, wo Tiermodelle menschliche Krankheiten nicht abbilden oder physiologisch zu stark vom Menschen abweichen.

Dabei geht es in der Regel nicht darum, einen spezifischen Tierversuch eins zu eins zu ersetzen. Vielmehr werden verschiedene alternative Methoden gezielt und intelligent miteinander kombiniert, um umfangreiche Daten zu gewinnen, die im besten Fall Tierversuche reduzieren oder gänzlich ersetzen oder die mit Tiermodellen bisher schlichtweg nicht erhoben werden konnten. Dazu zählen zum Beispiel Fragestellungen der personalisierten Medizin und der geschlechtersensiblen Forschung.

NAMs im Praxistest – Chancen, Grenzen und der Weg zur konsequenten Anwendung

Trotz ihrer überzeugenden Vorteile und der beeindruckenden Spannbreite an verschiedensten Methoden, die zwischenzeitlich zur Verfügung stehen, stellt sich die berechtigte Frage, weshalb NAMs Tierversuche als Goldstandard dann nicht längst abgelöst haben. Hier ist Transparenz gefragt – denn trotz der rasanten Entwicklungen im NAM-Bereich ist der komplette Verzicht auf Tierversuche derzeit weder realistisch noch aktuell absehbar. Es ist nicht zielführend, Erwartungen zu wecken, die nicht erfüllt werden können. Vielmehr ist es wichtig, genau zu verstehen, was die Implementierung dieser neuen tierversuchsfreien Methoden aktuell noch behindert. Die Antwort darauf ist komplex und vielschichtig. Ein entscheidender Faktor ist allerdings, dass die Expertise zur Funktionsweise und den Anwendungsmöglichkeiten neuartiger Modellsysteme interdisziplinär geteilt und diskutiert wird. Das beinhaltet neben der frühen und fundierten Ausbildung von Nachwuchswissenschaftler:innen auch die Weiterbildung von Forschenden in Praxis und Theorie. Auch neueste Entwicklungen sowie Chancen und Limitationen evidenzbasiert zu diskutieren und so Vertrauen in die Modelle zu schaffen, ist essenziell.

Das 3R-Center Tübingen engagiert sich intensiv in all diesen Bereichen. Im Fokus stehen insbesondere die Ausbildung junger Forschender im Bereich der Organ-on-Chip-Technologien, der Wissenstransfer sowie die Förderung des Dialogs zwischen Wissenschaft, Industrie, Politik und Gesellschaft.

Die THE 3R LÄND Konferenzserie stellt hier ein besonderes Highlight im Bereich der tierversuchsfreien Forschung dar und wird nach dem großen Erfolg im Jahr 2024 und auf vielfachen Wunsch der Teilnehmenden nun als alle zwei Jahre stattfindende Serie weitergeführt.

Forschung vernetzen, Zukunft gestalten – jetzt Teil von THE 3R LÄND werden

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, an der dreitägigen internationalen Konferenz teilzunehmen. Abstracts für Fachvorträge und Posterpräsentationen können noch bis einschließlich 14. November 2025 über die Website des 3R-Centers Tübingen eingereicht werden.

Seien Sie dabei, wenn führende Expert:innen aus Wissenschaft, Industrie und Politik gemeinsam die Zukunft biomedizinischer Forschung gestalten – im Herzen von THE (3R) LÄND!

Das 3R-Center Tübingen für In-vitro-Modelle und Tierversuchsalternativen wird vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gefördert.

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